Wer mäht was und weshalb?
Grünflächenpflege in Nürnberg heute
von Bürgermeister Christian Vogel
Die aktuelle Wärme und der Regen sind sprichwörtlich richtiges „Wachswetter“. Das ist im eigenen Garten so, in den Grünanlagen und auch im Straßenbegleitgrün. Insbesondere für das Straßenbegleitgrün bekomme ich aktuell wieder viele Briefe. Frau A schreibt mir: „Bitte Herr Bürgermeister, lassen Sie das Grün noch etwas stehen“, Herr B schreibt mir das Gegenteil: „Warum wird bei uns nicht gemäht.“ Unser Vorgehen in Sachen Mähen will ich daher auf diesem Weg nochmals etwas erläutern.
In einer Großstadt wie Nürnberg sind grüne Oasen wichtig und lebensnotwendig. Für die Lebensqualität der Menschen, aber wortwörtlich für unsere Tierwelt. Rund 5,5 Millionen Quadratmeter Grünfläche stehen den Nürnbergerinnen, Nürnbergern und Gästen für Freizeit und Erholung zur Verfügung. Um über 330 Grünanlagen kümmert sich der Service Öffentlicher Raum (SÖR) in Nürnberg. Vom großen Marienbergpark bis hin zu versteckten Geheimtipps wie dem Tullnau-Park. Kümmern heißt Pflege, Planung und Neuanlage der Parks und Grünflächen.
Geht man mit offenen Augen durch die Stadt, fallen den Bürgerinnen und Bürgern oft Unterschiede bei der Pflege auf. Hier wächst es hüfthoch, dort ist das Gras kurz wie auf dem Spielfeld des Max-Morlock-Stadions. Auf manchen Flächen sieht man gar beides nebeneinander: Gemähte Wiese und hohe Grasbereiche. Und unter manchen Bäumen hat SÖR offenbar ganz vergessen zu mähen. Manch einer ist deshalb irritiert. Und so unterschiedlich sind die Zuschriften aus der Stadtgesellschaft. Von: „Die Stadt mäht ja gar nichts mehr!“, bis zu: „Weshalb mäht die Stadt so viel?“ Deshalb hier ein paar Informationen:
Die Ansprüche an Grünflächen wandeln sich
Beginnen wir mit einem Rückblick. Früher musste öffentliches Grün so aussehen: Kurzer Rasen, gestutzte Sträucher, ordentliche Bäume mit laubfreiem Boden. Wie in der Mode wandelt sich diese Sichtweise mit der Zeit. Auch, weil man nicht mehr nur optische Gesichtspunkte in die Überlegungen mit einbezieht, sondern auch ökologische. Dies spiegelt sich auch in der Pflege städtischen Grüns wider. Und diese beginnt mit der Aussaat.
Es beginnt mit der Aussaat
Gezielt ausgesät wird u. a. im Straßenbegleitgrün. Das sind Grünflächen am Straßenrand oder im Mittelstreifen von größeren Straßen. Heute wird beim Straßenbegleitgrün überwiegend die Ansaat „Biodiverse Blühwiese“ von SÖR verwendet. Diese Mischung besteht zu 80% aus Gräsern und zu 20% aus Blumen und Kräutern. Sie enthält viele salzverträgliche Arten, die sich auch am Straßenrand langfristig halten, wenn im winterlichen Verkehr das Streusalz mit dem Spritzwasser auf die Pflanzen regnet. Insgesamt erreicht die gesamte Mischung eine Höhe von bis zu 60 cm. Sie enthält sowohl Frühsommerblüher als auch Arten, die ab August und September blühen. Somit ist ein langer Blühaspekt garantiert.
Als prominentes Beispiel für die Entwicklung von artenreichen Vegetationsflächen sei die Äußere Bayreuther Straße zwischen Stadtpark und Leipziger Platz genannt. Der Mittelstreifen wird extensiv gepflegt und unter den großen Platanen haben wir Flächen, die der Fränkischen Sandachse nachempfunden wurden. Einige weitere Beispiele: Münchener Straße, Marthweg, Wiener Kreisel, Hafenstraße, Vorjurastraße.
Aber auch in Grünanlagen können Wiesen angesät werden, die ein Zuhause für Bienen, Schmetterlinge und andere Insekten bieten. Insbesondere möglich ist dies in sehr gering benutzten und wenig vermüllten Flächen in Randbereichen und Flächen ohne Veranstaltungsbelegung.
Gemäht wird eine Wiese ein- bis zehnmal pro Jahr
Wie werden die angesäten Flächen nun gepflegt? SÖR mäht 1,7 Mio. m² Rasenflächen an Verkehrsstraßen und 4 Mio. m² Rasen- und Wiesenflächen in Grünanlagen, an Schulen und in Spieleinrichtungen. Davon wird ein Viertel für die Artenvielfalt extra seltener als zweimal im Jahr gemäht. Viele Flächen werden gemulcht, das heißt, der Rasenschnitt bleibt liegen. Das spart nicht nur Zeit und Geld, sondern düngt die Fläche auch. Auf den Biodiversen Blühwiesen wird das Schnittgut aufgenommen, weil die Wiesenblumen und -kräuter nährstoffärmere Bedingungen brauchen. Der Zeitpunkt der Mahd für naturnahe Wiesen, richtet sich nach der Blütezeit der Blumen zwischen April bis Oktober. SÖR praktiziert bereits seit Längerem eine Pflegestrategie, bei der auf eine Reduzierung der Mähgänge gesetzt wird. Als Faustregel kann man sagen, dass SÖR auf hochfrequentierten Grünflächen häufiger mähen muss, als auf Flächen mit einem geringen Nutzungsdruck. In den meisten Innenstadtanlagen müssen wir deshalb auf Biodiversitätsflächen verzichten. Aber da wo es geht und wir genügend Platz haben, können wir auch solche Flächen unterbringen. Grundsätzlich müssen zentrale Fragen beantwortet werden:
- Wie nah liegt die Fläche am Straßenverkehr? Die Flächen des Straßenbegleitgrüns werden in erster Linie nach funktionalen Gesichtspunkten gepflegt; freie Sicht auf Schilder, Begrenzungspfosten, Sichtbeziehungen an Fußgängerüberwegen und Straßeneinmündungen, etc. haben Vorrang.
- Wie wird die Fläche genutzt? In Parks muss die Multifunktionalität erhalten bleiben. Das bedeutet wir brauchen auch ausreichend Flächen, die kurz gemäht sind, zum Liegen, Spielen, Grillen, Feiern, für Veranstaltungen etc.
Gemäht wird also nach Lage und Nutzungsart. Das kann einmal pro Jahr sein oder zehnmal. Folgende Regelungen gelten dabei:
- ein- bis zweimal: naturnahe Flächen als Zuhause für Insekten, Wiesen am Stadtrand und am Rand von Parks.
- dreimal: Mittel- und Randstreifen an Straßen
- vier- bis sechsmal: Liegewiesen, Grill- und Sportflächen oder Flächen für Veranstaltungen (Rock im Park, Klassik Open Air, Afrikafestival)
- acht- bis zehnmal: Historische Anlagen und Bolzplätze
Besondere Schonung für blühende oder seltene Pflanzen
Wir sehen, dass es viele Gesichtspunkte gibt, nach denen SÖR entscheidet, was wie oft gemäht wird. Doch es wird noch komplizierter. Denn keine Regel ohne Ausnahme:
Müssen Liegewiesen gemäht werden, während noch Blumen blühen, werden diese blühenden Bereiche noch stehen gelassen. Auch bleiben Teilflächen bei der Mahd stehen, auf denen besondere Pflanzen wachsen oder blühen: die Königskerze oder Malve z. B. Teilflächen mit Sandgrasnelke und Silbergras sind wiederum reduziert in der Mahdhäufigkeit.
Auch um den Stamm größerer Bäume wird seltener gemäht: Um den Wurzelbereich zu schonen, bleibt das Gras hochstehen, so dass die Wurzeln unter der Baumkrone wenig betreten werden. Allgemein bleibt ein Graskranz von 20-30 cm um die Bäume beim Mähen stehen, so bleibt die wertvolle Baumrinde vor versehentlichen Beschädigungen geschützt. Derzeit erprobt wird (z. B. am Bierweg), dass nur hohes Gras um die Blühstreifen herum gemäht wird, auch, wenn die Blumen verblüht sind.
Einfach wachsen lassen, funktioniert nicht
Also mäht man naturnahe Blühflächen auch. Aber wieso lässt man sie nicht einfach wachsen? Eine Wildblumenwiese kann nur dann eine artenreiche Wildblumenwiese werden, wenn man sie einmal im Jahr mäht. Der Zeitpunkt der Mahd ist im Herbst. Dann sind die Samen in den Blumen und Kräutern voll ausgereift. Die Wiese zeigt sich trockener und der Wind und die Tiere tragen zur Verteilung der Samen bei. Dort, wo es möglich ist, bleibt das Mahdgut nach dem Schnitt zusätzlich einige Tage zum „Ausschütteln“ liegen und die Samen verteilen sich vor Ort. Stellt man, wie gefordert, das Mähen ganz ein, nehmen nach kurzer Zeit die Gehölze überhand. Aufwuchs von Bäumen, wie Pappeln, Birke und Robinien macht sich breit und es entsteht in letzter Konsequenz ein Buchenmischwald. Also: Ganz ohne mähen geht es nicht.
Es ist nicht einfach, aber das ist es wert
Man sieht, die – im Gegensatz zu früher – kleinteilige Beachtung der ökologischen Auswirkungen von Aussaat, Mähhäufigkeit und Art der Mäharbeiten führt zu einem nicht mehr so einheitlichen Bild. Das ist für viele Bereiche der Stadtverwaltung ein Mehraufwand. Aber es ermöglicht die Schaffung und Bewahrung naturnaher Bereiche in der Großstadt, die Lebensraum für Insekten sind und damit auch die weitere Nahrungskette positiv beeinflussen. Kurz: Es nutzt Pflanzen, Tieren und uns Menschen. Und das ist den Aufwand auf jeden Fall wert!
Es ist also alles oftmals gar nicht so einfach, es ist aber trotzdem durchdacht. Wir können es nicht Allen recht machen, aber wir haben alle Bedürfnisse im Blick.